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Flüchtlinge kurz im Hungerstreik

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Von Matthias Nothstein

ALLMERSBACH IM TAL. Die 17 Syrer, die von der aktuellen Absage betroffen waren, hatten den Termin für ihre Interviews schon seit langer Zeit im Kalender angestrichen. Bei diesen Anhörungen können sie ihren Asylantrag begründen. Viele, vielleicht sogar alle Hoffnungen hängen daran. Als dann am Donnerstag der zuständige Sozialarbeiter eine Liste mit 17 Namen in der Gemeinschaftsunterkunft aushing, war der Unmut riesengroß. Die aufgebrachten Flüchtlinge drängten in das Büro des Sozialarbeiters. Dieser telefonierte mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), konnte aber spontan keinen Ersatztermin erreichen. Die Flüchtlinge demonstrierten daraufhin vor der Unterkunft und traten in einen Hungerstreik.

Von der Unruhe alarmiert eilten auch der Teamleiter der Sozialarbeiter, Harald Luttmann, und Melih Göksu von der Geschäftsstelle des Koordinierungsstabs im Landratsamt Rems-Murr nach Allmersbach. Sie konnten beim Bamf immerhin erreichen, dass die Flüchtlinge Ersatztermine zur Anhörung für Anfang März erhielten. Daraufhin beruhigte sich die Lage wieder, erklärte gestern die Pressesprecherin des Landratsamtes, Martina Nicklaus. Der Hungerstreik wurde beendet bevor er richtig begonnen hatte.

Die Verärgerung bei den Flüchtlingen ist unter anderem deshalb so groß, weil es andere Asylbewerber gibt, etwa in der Landeserstaufnahmestelle (Lea) in Meßstetten, die bereits einen Aufenthaltstitel in ihren Händen halten. Und das, obwohl diese Asylbewerber erst vor ein oder zwei Wochen in Deutschland angekommen sind. Das können die Allmersbacher Flüchtlinge nicht verstehen. Zudem betrachten sie dieses Vorgehen als ungerecht, da sie schon monatelang warten.

Vielschichtige Gründe für die große Unruhe in der Massenunterkunft

Die kurzfristige Absage beziehungsweise die erfolglose Reise nach Karlsruhe kommt immer wieder vor. So berichtet Walter Wötzel vom Asylkreis Allmersbach von einem oberschenkel-amputierten Mann, der die Reisestrapaze auf sich genommen hatte, dann aber zurückgeschickt wurde. Begründung auch in diesem Fall: Überterminiert.

Von den etwa 60 Syrern in der Allmersbacher Unterkunft haben etwa 20 Frauen und Kinder. Diese Ehemänner und Familienväter befürchten, wenn sie jetzt nicht bald ihren Asylantrag stellen können, dass ihre Angehörigen nicht zu ihnen kommen können.

Die große Unruhe in Allmersbach hat vielschichtige Gründe. So gibt es innerhalb der syrischen Flüchtlinge zwei Lager, nämlich Anhänger und Gegner des Assad-Regimes. Zudem gibt es laut Insidern immer wieder Ärger mit den Männern aus Eritrea, die sich an keine Regeln halten. Ein weiterer Aspekt, für den etwa Walter Wötzel großes Verständnis hat, ist die fehlende Privatsphäre. In dem ehemaligen Penny-Markt gibt es acht Abteile, in denen jeweils bis zu zwölf Flüchtlinge wohnen. Die Abteile sind mit Holzwänden abgetrennt, die nach oben offen sind. Wötzel: „Wenn sich jemand auf die Zehenspitzen stellt, kann er überall reinschauen.“ Viele Bewohner hätten inzwischen einen Lagerkoller. So leidet beispielsweise einer der Flüchtlinge so sehr unter dem ständigen Lärm, dass er lieber in einem Zelt auf der früheren Anlieferungsrampe campiert. Wötzel: „Er hält den ständigen Geräuschpegel einfach nicht mehr aus.“


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