Von Reinhard Fiedler
ALTHÜTTE/GSCHWEND. „Ein Knaller“, jubelt Albrecht P. Block. Die Freude des Naturparkführers aus Althütte klingt überschwänglich, ist jedoch mehr als berechtigt. Denn seit Jahren ist der engagierte Naturfreund und exzellente Kenner von Flora und Fauna hinter Felis silvestris silvestris her, der Europäischen Wildkatze.
Es gab immer mal wieder Anzeichen, dass das extrem scheue Tier durch die heimischen Wälder streicht. Des Öfteren ereilten Block Nachrichten von Jägern, Bauern oder Wanderern, wonach eine Wildkatze gehört oder gar gesehen wurde, es wurden Trittsiegel und Fährten entdeckt, doch es fand sich an eigens aufgestellten Lockstöcken noch nie ein Haar, das definitiv einer Wildkatze zugeordnet werden konnte.
Albrecht P. Block hatte nie behauptet, dass es die Wildkatze im Schwäbischen Wald gibt, aber er war sich ziemlich sicher. Er schloss und schließt zudem nicht aus, dass das äußerst zurückgezogen lebende Tier vielleicht schon seit Urzeiten hier heimisch ist, aber seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gesichtet worden war. Der Schattenkönig macht diesem seinen Beinamen alle Ehre. Genauso ist es freilich möglich, dass die Wildkatze durch die Vernetzung ihrer Lebensräume wieder eingewandert ist. Nachgewiesen ist der Schattenkönig beispielsweise im Pfälzerwald, in den Rheinauen und im Spessart. Und jetzt in diesem Landstrich.
Nachgewiesen. Das heißt im konkreten Fall: Bei einer im Raum Gschwend lebenden Katze handelt es sich tatsächlich um einen sogenannten Blendling, wie es Fachleute schon vor über einem halben Jahr vermutet hatten und wie es am 25. Februar auch in unserer Zeitung stand.
Als Blendlinge werden Nachkommen von Eltern bezeichnet, die zwar derselben Art angehören, jedoch nicht derselben Unterart, Rasse oder Sorte. Beim Gschwender Tier handelt es sich um einen Mischling, dessen Vater eine Hauskatze und dessen Mutter eine Wildkatze ist. Das ergaben genetische Haaruntersuchungen im Senckenbergischen Institut für Wildtiergenetik in Gelnhausen/Hessen.
Weil dieser Gschwender Vierbeiner nun mal definitiv eine halbe Wildkatze ist, gibt es zumindest in dieser Region auch Wildkatzen. Wobei ein vorsichtiger Naturführer Block selbst hier noch eine kleine Einschränkung macht: „Gab es, um wissenschaftlich exakt zu sein.“ Soll heißen: Vielleicht ist die Mutter nicht mehr, vielleicht ist sie wieder abgewandert.
Fotografiert wurde der Blendling von Silke Fischer aus Allmersbach im Tal, die mit Albrecht P. Block zusammenarbeitet und die immer wieder mit spannenden, bemerkenswerten Tierbildern auf sich aufmerksam macht. Block erinnert sich an jenen Tag, als die Katze mit dem wilden Blut fotografiert wurde: „Frau Fischer war die einzige Person, die spontan Zugang zu dem Tier hatte und sogar mit ihr spielen konnte.“
Diese Katze lebt im Haushalt eines in Fachkreisen geschätzten Wildtierbeobachters, der erst vor wenigen Wochen unvorhergesehen gestorben ist. Die Witwe erfuhr mit als Erstes, welch kostbares Tier sie beherbergt. Denn nach Kenntnis des Althütter Experten ist es „extrem selten, dass sich Vertreter der beiden Unterarten paaren“. Die Europäische Wildkatze – der Name sagt’s – ist ein heimisches Tier, die Hauskatze hingegen kommt ursprünglich aus Nordafrika und aus Nahost.
In der Natur, insbesondere bei schlechten Sichtverhältnissen, kann man Haus- und Wildkatze sehr leicht verwechseln. Denn auch ein Sofatiger erhebt sich ab und an und geht auf Tour, schleicht gerne durch den Wald und über Wiesen und Felder in Waldesnähe. Und er lässt schon mal am mit Baldrian behandelten Lockstock ein paar Haare hängen. Werden die vom Naturfreund dann zur genetischen Untersuchung eingeschickt, dann bedarf es viel Geduld, bis ein Ergebnis vorliegt. Für Silke Fischer und Albrecht P. Block und alle anderen Interessierten hat sich das lange Warten gelohnt.