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Entscheidung zwischen Leben und Tod

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Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Um Sucht- und Gewaltprävention geht es dem Autor Jörg Schmitt-Kilian, wenn er an Schulen spricht. Die Schüler im Beruflichen Schulzentrum haben sich vorbereitet und entweder sein Buch über Andreas Niedrig gelesen oder den Film, der mit bekannten Schauspielern wie Uwe Ochsenknecht und Max Riemelt gedreht wurde, angeschaut.

Originalfotos von Andreas Niedrig als Heroinabhängiger und aktuelle Bilder als durchtrainierter Sportler beim härtesten Triathlon-Wettkampf der Welt, dem Ironman auf Hawaii, werden auf eine Leinwand projiziert. Sportliche Höchstleistungen und Erfolge zu erzielen, kann auch eine Art Droge sein. „Aber lieber ein Laufsüchtiger als ein Heroinsüchtiger“, unterstreicht Schmitt-Kilian. Obwohl Andreas Niedrig eine Therapie abgebrochen hat, ist es ihm gelungen, sich von der Sucht zu befreien.

Für ihn sei Schreiben auch eine Art von Bewältigung, sagt der Autor. Als Kriminalhauptkommissar hat er viel Elend und Drogentote gesehen. Er berichtet von einem Süchtigen, der in seinen Armen starb. „Die Bilder verschwinden zwar, tauchen aber genauso schnell wieder auf“, sagt Schmitt-Kilian. Immer, wenn er an dem Haus vorbeifahre, in dem sich die schreckliche Begebenheit abspielte, gehe die Situation in seinem Kopf wieder auf wie ein Film. Den Schülern zeigt er Fotos von Verkehrsunfällen, die sich alle unter Einfluss von Drogen ereignet haben. Auch der Konsum von Cannabis führe zur Fahruntüchtigkeit, betont er. Auch erschreckende Bilder von Drogenabhängigen sind dabei. Eltern seien oft hilflos. Verbote oder abschreckende Aussagen wie: „Wenn du kiffst, bist du bald tot“, seien wenig hilfreich. Viele Eltern würden auch wegsehen und es lange nicht bemerken, wie auch in Andreas Niedrigs Fall. Zwanzig Bücher hat er geschrieben, in denen er Hilfestellungen geben will. Außerdem bietet er im Projekt Impulse ein praxiserprobtes Konzept zur Sucht- und Gewaltprävention an. Die richtige Kommunikation mit den Jugendlichen sei das Wichtigste, betont der Autor. Über hundert Veranstaltungen im Jahr stehen auf seinem Terminkalender.

Die Schüler bekommen die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Warum Niedrig seine Therapie abgebrochen hat, möchte eine Schülerin wissen. Er habe wohl die Bevormundung und Autorität nicht ertragen, ist die Erklärung des Autors. Andreas Niedrig hatte einen sehr strengen Vater. Dem Kind zu signalisieren: Du kannst mir vertrauen und zu mir kommen, sei der bessere Weg. Wie viel Glauben man dem Film schenken könne, interessiert einen Schüler. Natürlich wird im Film mit dramaturgischen Mitteln gearbeitet, führt Schmitt-Kilian aus. Er hätte sich manche Szenen anders gewünscht, aber nur bedingt Mitspracherecht gehabt.

Zum Abschluss wird noch ein kurzer Film aus Andreas Niedrigs Sicht gezeigt. Fotos aus einer scheinbar glücklichen Kindheit sind zu sehen. „Mit der Pubertät kamen Gefühle, die Achterbahn fuhren“, kommentiert Niedrig selbst. Erst kam der erste Joint, später der erste Schuss. „Die Bahnhofstoilette war unser neues Zuhause.“ Irgendwann musste er sich entscheiden zwischen Leben und Tod. In der Therapie schöpfte er Hoffnung. Niedrig machte eine Berufsausbildung und entdeckte seine Liebe zum Sport. „Bei einer Strecke von 180 Kilometern auf dem Fahrrad hat man viel Zeit, über sein Leben nachzudenken.“

Nicht nur Eltern müssen hinschauen und in Dialog mit einem gefährdeten Jugendlichen treten, sondern das sollte auch im Freundeskreis geschehen, gab Jörg Schmitt-Kilian den Schülern bei zwei Lesungen im Beruflichen Schulzentrum mit auf den Weg.


            Sucht- und Gewaltprävention liegen ihm am Herzen: Der Autor und ehemalige Drogenfahnder Jörg Schmitt-Kilian bei seiner Lesung im Beruflichen Schulzentrum in Backnang. Einen weiteren Termin hatte er im Bildungszentrum Weissacher Tal .Foto: A. Becher

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