Von Matthias Nothstein
KIRCHBERG AN DER MURR. Weit mehr als eine Stunde nahm sich Dr. Richard Sigel Zeit für die Besichtigung der Firma Renz. Ein Indiz, das die Bedeutung des Unternehmens unterstrich, nicht nur für die Gemeinde. So sagte auch Bürgermeister Frank Hornek, „wir sind froh, dass wir ein solches Unternehmen, unsere Nummer eins, vor Ort haben.“ Geschäftsführer Armin Renz stellte zusammen mit seinem Vater Martin Renz den Betrieb vor, den sein Großvater Erwin Renz im Jahr 1925 gegründet hatte. Übrigens in einem Gebäude, das die Gemeinde bis vor einem Jahr noch als Flüchtlingsunterkunft genutzt hat, wie Hornek anmerkte. Inzwischen beschäftigt die Renz-Gruppe 700 Mitarbeiter in mehreren europäischen Ländern. In Kirchberg stehen alleine 330 Menschen bei Renz in Lohn und Brot, deutschlandweit sind es 450 Mitarbeiter. Der Konzern macht einen Umsatz von 78 Millionen Euro. Das sagen zumindest die Zahlen für das vergangene Jahr. Betriebsleiter Matthias Bethlehem stellte in der Folge die Abläufe und die Philosophie des Betriebs vor.
Besonders stolz ist Armin Renz darauf, dass sein Betrieb ohne Unterbrechung ausbildet. Jedes Jahr werden fünf bis sieben Auszubildende im gewerblichen oder kaufmännischen Bereich eingestellt, selbst in der Krise um das Jahr 2008 „haben wir nicht ausgesetzt“. Dabei habe Renz davon profitiert, dass ausgerechnet zu dieser Zeit ein Großauftrag aus Dänemark eingegangen war.
Zurzeit sind zwar Briefkästen laut Bethlehem noch das bestimmende Thema. Mehr noch, die Briefpost wird noch zunehmen. Aber das Zukunftsthema wird der Paketversand sein, ist sich der Geschäftsmann sicher. Dank des elektronischen Handels wird der Paketmarkt ständig steigen. Heute schon beträgt der Jahresumsatz im E-Commerce in Deutschland über 40 Milliarden Euro.
Und Renz hat die Antworten darauf. Das Unternehmen hat Paketanlagen entwickelt, in denen der Zusteller Pakete ablegen kann, ohne dass der Empfänger zu Hause sein muss. Und Empfänger können Pakete zurückschicken, ohne auf die Post zu müssen. Alles geht elektronisch, über SMS oder E-Mail. In der Region Stuttgart will Renz fünf Pilotanlagen aufstellen. Eine ist schon in Betrieb, die zweite in Kirchberg aufgebaut. Bislang arbeitet Renz mit DHL zusammen. Doch auf Dauer würde er gerne alle Zusteller integrieren, sodass jeder die Anlagen nutzen kann.
Landrat Sigel war von der Idee schon lange überzeugt. Er verriet, dass er schon zu seinen Böblinger Zeiten darüber nachgedacht hatte, eine solche Anlage für die Mitarbeiter anzuschaffen. Nun sprach er Renz direkt darauf an, die Neuerung am Rems-Murr-Klinikum Winnenden zu realisieren. Das hätte einen mehrfachen Mehrwert. Ärzte und Pflegepersonal arbeiten oft im Schichtdienst und haben nicht die Chance, Pakete an der eigenen Haustür in Empfang nehmen zu können. Sie könnten die Sendungen am Klinikum abholen. Fahrten in die Innenstädte und Umwege wären nicht mehr nötig. Sigel: „Ich sehe es so, dass wir damit für unsere Mitarbeiter die Attraktivität, bei uns zu arbeiten, steigern würden.“ Und in Richtung Renz deutete er an, dass diese Anlage viele sehen würden. Denn zum Krankenhaus kommen viele Menschen, und es ist 24 Stunden am Tag geöffnet. Renz und Sigel waren sich am Ende einig: „Eine schöne Idee.“
Es machte den Eindruck, dass Sigel gerne nach Kirchberg gekommen war, trotz mancher Sticheleien aus der Gemeinde, dass der benachbarte Landkreis eine deutlich geringere Kreisumlage erheben würde. Besonders beeindruckt war Sigel davon, dass die kleine Gemeinde schuldenfrei ist, „sie gibt die Linie für den Landkreis vor“. Auch der Ortsbus machte Eindruck auf den Kreischef, „da wurde eine tolle Idee in die Realität umgesetzt“. Ebenso betonte Sigel die guten Gespräche zwischen Landkreis- und Gemeindeverwaltung zum Thema Flüchtlingsunterkünfte. Wobei er sich gestern zu den Ergebnissen öffentlich noch nicht konkreter äußern wollte.
Bevor das Projekt Kigaplus in der Schule vorgestellt wurde und der Antrittsbesuch bei einem Gespräch im kleineren Rahmen im Rathaus endete, machte die Delegation noch einen Abstecher in die Sporthalle. Hornek: „Das ist unser und vor allem mein Stolz.“ Das größte Hochbauprojekt in der Geschichte der Gemeinde hat vor elf Jahren 3,4 Millionen Euro gekostet und bei vielen große Beachtung gefunden. Einige Gemeinden wollten die Halle schon kopieren, aber nur „der Kollege aus Berglen hatte bislang den Mut“, so Hornek. Dort wird demnächst die gleiche Halle gebaut.
Vieles begeisterte Sigel in der modernen Sportstätte, nicht zuletzt auch das helle Foyer. Was einen Umstehenden zu der vielsagenden Bemerkung reizte: „Die schönste Aussicht im ganzen Kreis.“