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Vielleicht richtet’s wieder mal die Schweiz

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Von Reinhard Fiedler

 

BACKNANG. Wer mal rasch was wissen und von Google nicht überfrachtet werden will, der guckt nach bei Wikipedia. Das Internet-Lexikon bietet Infos kompakt und gut. Doch gelegentlich gilt’s auch hier Fragezeichen zu setzen. Beispiel: „Ein Kreisverkehr (...) ist ein unkonventioneller Verkehrsknoten im Straßenbau ...“ Unkonventionell? Na ja. Möglicherweise irgendwo in der Prärie, aber hierzulande kreiselt es an unzähligen Stellen, wo sich einst die Straßen kreuzten und die Fahrzeuge sich stauten.

Backnang hat gute Erfahrungen mit seinen Kreisverkehren gemacht. Das gilt auch für den jüngsten im Bunde, für den an der Einmündung des Dresdener Rings in die Aspacher Straße. Auch wenn es sich nur um ein Provisorium handelt, es läuft auch dort rund.

Noch mit Ampeln gesteuert wird der Verkehr am sehr stark frequentierten Knoten, wo sich Sulzbacher Straße, Dresdener Ring und Berliner Ring treffen. Ein Zustand, den viele Verkehrsteilnehmer sehr gerne geändert sehen würden. CDU-Stadtrat Dr. Gerhard Ketterer sagte es im Technischen Ausschuss des Gemeinderates so: „Man wird auf keinen noch nicht existierenden Kreisverkehr so oft angesprochen.“

Nicht nur Autofahrer, auch Stadträte sind seit geraumer Zeit am Umbau zum Kreisel interessiert, immer mal wieder unternahmen sie Vorstöße. Zuletzt waren es die Gemeinderatsfraktionen von CDU und CIB. Doch Backnangs Stadtverwaltung hat so ihre Sicherheitsbedenken. Bauamtsleiter Hans Bruss, nach eigenem Bekenntnis grundsätzlich auch ein Freund von Kreisverkehren, sieht im speziellen Fall erhebliche Schwierigkeiten. Vor allem bei einem Kreisel-Provisorium, wie es in Backnang ja etliche davon gibt. Auch Erster Bürgermeister Michael Balzer findet den Bau eines Provisoriums an dieser sehr stark frequentierten Stelle „saumäßig schwierig“.

Die Schwierigkeiten lägen in der Geometrie des Knotenpunktes mit versetzten Einmündungen. Deswegen sei die Verkehrssicherheit der Fußgänger als kritisch einzustufen. Für den Fußgängerverkehr längs der Sulzbacher Straße würden teilweise längere Wegstrecken entstehen. Der Chef des Bauamtes weist in seiner Tischvorlage zudem darauf hin, dass es durch „die außermittige Lage“ des provisorischen Kreisverkehrs (Außendurchmesser: 27 Meter) für die auf der Sulzbacher Straße stadtauswärts fahrenden Fahrzeuge zu geringen Ablenkungswinkeln“ komme. Das habe hohes Tempo zur Folge und damit eine Gefährdung der Verkehrssicherheit. Stadteinwärts fahrende Autolenker würden durch eine nicht in der Mitte liegende Insel stark abgelenkt. Beim Busverkehr führe dies zu Komfortverlusten. Ein solches Kreisel-Provisorium würde etwa 100000 Euro kosten.

Ein endgültiger Ausbau käme auf etwa 700000 Euro. Für Hans Bruss ist das „ein richtiger Batzen“. Vor allem auch wegen dann notwendiger Eingriffe in Privatgrundstücke. Wie sich Grundstücksverhandlungen entwickeln könnten, dazu sagte Bruss nichts. Er wies jedoch darauf hin, dass im Bereich der südwestlich gelegenen Mehrfamilienhäuser die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft erforderlich wäre – das sind immerhin um die hundert Leute.

Technisch wäre ein Bypass von der Sulzbacher Straße in den Berliner Ring notwendig. Grund seien die zueinander versetzten Einmündungen von Berliner und Dresdner Ring in die Sulzbacher Straße. Im Bypass-Bereich sei die Sicherheit der Fußgänger „als kritisch einzustufen“. Die grundsätzliche Problematik der nicht in der Mitte positionierbaren Insel bleibe bestehen, wenngleich durch den größeren Außendurchmesser von 32 Metern der Komfort beim Befahren erhöht werde, ebenso die Sicherheit.

Aus Sicherheits- und Kostengründen wollte die Verwaltung von einem kurzfristigen Umbau der Kreuzung zu einem Kreisverkehr absehen. Auch weil sie – im Gegensatz zu vielen Autofahrern – der Meinung ist, dass es bei den Wartezeiten „keine Auffälligkeiten“ mehr gibt. Und das seit 2011. In jenem Jahr wurde die Ampelanlage umgerüstet, sie schaltet seither die Grün- und Rotphasen je nach Verkehrsaufkommen. Weitere Argumente der Bauverwaltung: Die Busbeschleunigung würde bei einem Kreisverkehr entfallen, ebenso wie die „gesicherte Radverkehrsführung mit gesonderten Signalgebern“.

Manch einem Ausschussmitglied schmeckte das nicht. So zweifelte Gerhard Ketterer am Fußgänger-Argument („Wer läuft da noch?“), er wollte das Thema nicht zu den Akten gelegt wissen. Der Beitrag von Heinz Franke (SPD) hatte etwas von sowohl als auch: er empfahl, den Umbau „nicht offensiv“ anzugehen, ihn aber auch nicht aus den Augen zu verlieren. Deutlicher positionierte sich da schon Willy Härtner. Der Grüne erinnerte an die Backnanger Kreisverkehre, die gut funktionieren, die aber nach früherer Lesart des Rathauses („geht nicht“) gar nicht gebaut worden wären. Bestes Beispiel ist die frühere Kawag-Kreuzung, die heute als Kawag-Kreisel den Verkehr nicht mehr ausbremst. Damals war man auf die Idee gekommen, nicht nur deutsche Straßenplaner-Maßstäbe anzulegen, sondern sich auch mal das Modell des sogenannten Schweizer Kreisels anzuschauen. Und siehe da, es funktionierte auch in deutschen Landen.

Eingedenk dieser Tatsache und angesichts der Unzufriedenheit der Räte sprach Erster Bürgermeister Michael Balzer: „Wir lassen’s noch mal überprüfen und einen Rechengang nach Schweizer Modell drüber laufen.“ Allerdings – ein typischer Balzer – „mit gebremstem finanziellen Schaum“.


              Wo sich Sulzbacher Straße, Dresdener Ring und Berliner Ring treffen: Nicht immer ist an diesem Verkehrsknotenpunkt so wenig los wie in diesen Tagen. In der Regel ist das Gegenteil der Fall.Foto: E. Layher
            Mit Bypass von der Sulzbacher Straße in den Berliner Ring: Plan der Stadtverwaltung für einen Umbau zum Kreisel. Doch das Rathaus ist über sein Werk nicht glücklich, Experten haben Bedenken.

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